Viele Akteure wollen mitspielen, doch wer profitiert tatsächlich von der neuen Technologie?

Blockchain, Bitcoin, Ether, Mining, Full Node: Begriffe, die derzeit scheinbar in aller Munde sind. Doch wer profitiert vom Hype rund um Kryptowährungen und wann platzt die Blase? Oder steht uns tatsächlich eine Revolution des Finanzmarktes ins Haus? Das diskutierte dieser Tage ein Expertenpanel des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK) in Kooperation mit der Österreichischen Marketinggesellschaft im neuen Startup-Hub weXelerate in Wien.

Gleich zu Beginn der von Nikolaus Jilch („Die Presse“) moderierten Diskussion räumte Isabella Mader, CEO des Excellence Institutes mit einem ersten Mythos rund um das Thema Bitcoin auf: „Wer glaubt, dass uns Kryptowährungen endlich die Demokratisierung des Geldes bringen, liegt falsch. Es werden lediglich die Akteure ausgetauscht. Die Frage, die wir uns stellen sollten, ist: Wollen wir künftig, dass weiter die Nationalbanken unser Geld schaffen oder lieber Großkonzerne wie Amazon oder Facebook?“ Denn im Grunde könne jeder eine eigene Kryptowährung einführen, so wie es nun auch Länder wie Russland oder China vorhaben, denn jeder möchte im Spiel um Macht und Geld ganz vorne dabei sein. Um Bitcoin, Ether und wie sie alle heißen verstehen zu können, muss man sich die Technologie dahinter anschauen, die Blockchain.

Banken werden überflüssig

„Eine Blockchain ist im Kern einfach ein digitales Register“, erklärt Christoph Strnadl, CTO für die CEE-Region und Mitglied der globalen Blockchain Task Force der Software AG: „Die Software sammelt Transaktionen und fasst sie in Blöcken zusammen. Mit ihr soll größtmögliche Datensicherheit garantiert werden, denn sämtliche Informationen werden kryptographisch abgesichert bei den Teilnehmern gespeichert. Jeder dieser „Full Nodes“ – also jeder Nutzer, der sich aktiv an der Blockchain beteiligt – verwaltet eine Kopie der Datenbank und es wird so quasi unmöglich, die Daten zu manipulieren. Dadurch werden Kontrollinstanzen wie Banken eigentlich überflüssig. Im Unternehmenskontext setzt man Blockchain-Technologie vor allem dann ein, wenn Akteure, die einander nicht oder nur wenig vertrauen, sicheren Zugriff auf eine gemeinsame verbindliche Datenbasis benötigen.“

Blockchain für Unternehmensanwendungen

Wer braucht Blockchain also tatsächlich? Stephan Arnold, Senior Consultant und Blockchain-Experte bei Capgemini Deutschland: „Viele Anwendungen innerhalb von Unternehmen benötigen keine Blockchain, sondern „klassische“ Technologie. Für bestimmte Use Cases spielt die Blockchain ihre Vorteile aber voll aus: Nämlich in jenen, in denen Vertrauen in einem Netzwerk über Unternehmensgrenzen hinweg hergestellt werden muss – und das ohne teuren Intermediär.“ Laut Arnold ist daher die Auswahl der richtigen Anwendungen und Technologien entscheidend. Capgemini stellt seinen Kunden dazu unter anderem ein Evaluations-Tool zur Verfügung. Das Bitcoin-Protokoll ist dagegen für Unternehmen nicht geeignet: „Mächtigere Protokolle wie Ethereum werden den Anforderungen der Unternehmen nach Transparenz, Effizienz, Geschwindigkeit und Risikosteuerung deutlich besser gerecht, da sie Prozesse und Vertragslogik besser abbilden können.“

Nutzen der Technologie

Für Peter Weinelt, Vorstandsdirektor der Wiener Stadtwerke, geht die Diskussion ohnehin zu weit: „Die Debatte geht am richtigen Leben vorbei. Die Menschen müssen den Nutzen einer Technologie sehen, wie zum Beispiel bei der dezentralen Energieversorgung. Hier kann die Blockchain ein Mittel zum Zweck sein, da sie Kundenbeteiligung in jeder Form möglich macht.“

Im Bereich der Banken vermutet Isabella Mader, dass diese Kryptowährungen für sich als Versuchsfeld für eine bargeldlose Gesellschaft entdeckt haben: „Vielleicht springen deshalb gerade Banken-Konsortien auf den Zug auf und bereiten die Einführung von Kryptowährungen vor.“

Magdalena Isbrandt, Geschäftsführerin der Bit-Trust Store GmbH mit Sitz in Wien, sieht allerdings schon großes Interesse seitens der Bevölkerung: „Kryptowährungen sind hierzulande derzeit zwar noch Spekulationsobjekte, aber die Menschen – und hier vor allem junge Leute – sehen sie durchaus als Wertanlage. Für mich ist Bitcoin vor allem Freiheit vom System, da Zahlungsvorgänge nicht trackbar sind und auch keine Konten eingefroren werden können. Ähnlich wie Bargeld, nur schneller.“

Blockchain verändert Welt der Juristen

IFWK-Gründer Rudolf J. Melzer stellte als Schlussimpuls der Veranstaltung die Frage nach den betroffenen Geschäftsfeldern, sollte sich die Technologie der Blockchain durchsetzen. Darauf Arnold, Capgemini: „Auch wenn viele Fragen noch ungeklärt sind: Die Blockchain wird das Berufsbild der Rechtsabteilungen verändern. Aber ist die Blockchain dann gecodetes Papier, das parallel zu den klassischen Verträgen existiert oder wird der Blockchain-Code zum Vertrag? Denn wenn der Code Gesetz ist, sind Programmierfehler ebenfalls Gesetz. Unternehmen beginnen erst, die enormen Möglichkeiten von Smart Contracts zu verstehen.“

Gesetzliche Rahmenbedingungen fehlen noch

Aber auch ganz andere Berufsfelder werden betroffen sein, so Strnadl: „Die Zähler-Ableser der Stromanbieter werden aussterben. Denn wenn das ‚Smart Meter‘ ihrer Photovoltaikanlage auf dem Dach seine Protokolle automatisch in eine Blockchain stellt und sie als Eigentümer jederzeit darin Einsicht nehmen können, warum sollte dann noch jemand ablesen kommen?“

Fakt ist, dass es bei Blockchain und Co. noch an gesetzlichen Rahmenbedingungen fehlt. Und dass auch in Punkto Steuer noch einige Fragen offen sind. Die Experten rechnen aber bald mit Lösungen dafür. Ob das Licht ins Dunkel des Krypto-Dschungels allerdings wirklich bald kommt, ist fraglich, da täglich neues Cyber-Geld auf den Markt strömt. Die Technologie der Blockchain ist zwar durchaus reizvoll für viele, das gesamte Potential ist aber noch nicht wirklich klar.

Darknet

An der regen Podiumsdiskussion, bei der es zum Beispiel auch um die Bedeutung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel im Darknet ging, beteiligten sich unter anderem TTTech-Aufsichtsrat Leopold Bednar, der Vorstandsvorsitzende von Capgemini in Österreich, Bernd Bugelnig, und Professor Josef Herget vom Excellence Institute.

Beim anschließenden Networking wurden noch weitere Aspekte rund um das Thema besprochen. Mit dabei: Susanne Spath und Peter Drobil von der Österreichischen Marketinggesellschaft (ÖMG), Dieter Harreither, Partner bei Price Waterhouse Coopers, Simon El-Dib, Leiter der Strategie- & Managementberatung bei Capgemini Österreich, Martin Bartmann, Geschäftsführer bei Mercedes Wiesenthal, sowie Gerhard Schinhan vom ÖAMTC.