Internationales Forum für Wirtschaftskommunikation diskutierte Angststörung und Burnout als psychische Störung an der Siegmund Freud Universität Wien
„Ich benutze den Begriff ‚Burnout’ nicht gerne. Er hat etwas Heldenhaftes und verschleiert, dass es sich bei so einer Krankheit um eine psychische Störung handelt. Psychische Störungen können passieren wie körperliche Erkrankungen. Das muss man akzeptieren – und sich schnellstmöglich seinem Umfeld anvertrauen, wenn es einen erwischt“, sagte Rüdiger Striemer, Buchautor und Vorstand der adesso AG, im Rahmen der Diskussion „Wenn Arbeit krank macht“, zu der das Internationale Forum für Wirtschaftskommunikation (IFWK) und die Siegmund Freud Universität Wien (SFU) einluden. In seinem Buch „Raus – Mein Weg von der Chefetage in die Psychiatrie und zurück“ schildert der deutsche IT-Manager die Entwicklung seines Burnout-Prozesses von Kopfschmerzen über Angstzustände bis in die Psychiatrie und zurück in die Vorstandsetage einer AG mit 1.500 Beschäftigten. Und er relativiert: „Es ist nicht das absolute Pensum der Arbeit, sondern ihre subjektive Bewertung, die jemanden in Stress, Depression oder Burnout treiben kann.“
„Laut WHO wird Depression 2020 die meistgestellte Diagnose sein“, betonte die Vizerektorin der SFU Wien, Jutta Fiegl, und stimmte mit Striemer überein, dass der Begriff „Burnout“ einfach besser bzw. trendiger klinge als „Depression“ und daher auch etwas Inflationäres habe.
Michael Musalek, der Leiter des Anton Proksch Institutes, diagnostizierte eine „Vorurteilsgesellschaft“, in der es einfach besser klinge, einen Herzinfarkt zu haben als eine psychische Störung. Wichtig sei, den Menschen zu lernen, richtig zu arbeiten, so dass es zu diesen Stresssituationen erst gar nicht komme.
In der Prävention vorbildlich sei die Erste Bank der österreichischen Sparkassen: Die im dortigen Gesundheitszentrum beschäftigte Arbeitspsychologin und Psychotherapeutin Gerlinde Wittich berichtete über ein Handbuch für Führungskräfte, in dem die Erkennungsmöglichkeiten einer psychischen Störung beschrieben sind. „Mitarbeiter leiden oft eher unter einer psychischen Störung, da sie weisungsgebunden sind und dies erzeugt zusätzlichen Stress.“
Klare Kommunikation ist wichtig
IFWK-Vizepräsidentin und FH-Professorin Bettina Gneisz-Al-Ani hob die Unterschiede zwischen Wissenschaft und Wirtschaft hervor und konstatierte, dass sich Wirtschaft immer selbst voran treibe: „Ich habe viele unternehmerische Hochdrucksituationen begleitet: Hier trägt konsistente, klare und regelmäßige Kommunikation entscheidend dazu bei, Stress nicht unnötig nach oben zu schrauben.“
Der Gründer und Präsident des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation, Rudolf J. Melzer, freute sich über die sehr gut besuchte und angeregte Diskussion am neuen Campus der SFU, die von „Presse“-Wirtschaftsredakteur Christian Höller moderiert wurde und an der unter anderem Martin Mai, Geschäftsführer von NTT Data Österreich, der Geschäftsführer von adesso Austria, Erwin Greiml, die Leiterin des Instituts „Psyche und Wirtschaft“ an der Siegmund Freud Universität und Buchautorin, Monika Spiegel, und OMV-Manager Wolfgang Baumann teilnahmen.
Bildtext vlnr.: IFWK-Gründer Rudolf J. Melzer, Michael Musalek (Anton Proksch Institut), SFU-Vizerektorin Jutta Fiegl, Gerlinde Wittich (Erste Bank), FH-Professorin Bettina Gneisz-Al-Ani, und adesso-Vorstand Rüdiger Striemer.