Wie beeinflussen bzw. verändern Robots Wirtschaft und Kommunikation in den nächsten 10 Jahren? Und sollten wir die Digitalisierung tatsächlich nur durch die rosarote Brille betrachten? Anlässlich des 10-jährigen Bestandsjubiläums des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK) diskutierte Prominenz aus Wirtschaft, Medien, Wissenschaft und Politik am 25. März 2019 in der Sky Lounge der WKO, welche Chancen Europa künftig in Sachen technischer Fortschritt hat. Mit BM Margarete Schramböck und WKO-Vizepräsidentin Ulrike Rabmer-Koller…

10 Jahre Internationales Forum für Wirtschaftskommunikation

„Die Strategie, brennende Zukunftsthemen aus Wirtschaft und Kommunikation aufzugreifen, hat das IFWK zu einer spannenden und wichtigen Dialogplattform für die Wirtschaft und die Öffentlichkeit gemacht“, verwies Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, in ihrer Keynote der Festveranstaltung auf die wichtige Übersetzerfunktion des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation: „Technischer Fortschritt und Digitalisierung haben unser Leben vereinfacht und stark verändert: 30.000 Beschäftigte gibt es mittlerweile im IT- und Telekombereich, die Geschwindigkeit, in der Veränderungen vorangehen, erhöht sich laufend.“ Die Chancen seien jedoch größer als die Gefahren. „Jene Länder, die viele Roboter – gemessen an der Zahl der Industriebeschäftigten – einsetzen, haben auch eine vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit“, räumt Schramböck mit dem Vorurteil auf, dass künstliche Intelligenz reihenweise Jobs koste. „Dazu zählen Länder wie Südkorea, Deutschland und auch Österreich.“

Neue Chancen für die Wirtschaft

Gerade den Themenbereich neue Technologien greift das IFWK regelmäßig auf – und damit einen der prägenden Faktoren für die Wirtschaft. „Die Digitalisierung bringt unseren Unternehmen Herausforderungen, aber auch viele Chancen“, betont WKO-Vizepräsidentin Ulrike Rabmer-Koller. „Besonders Bereiche wie künstliche Intelligenz oder Robotik werden unsere Zukunft verändern.“ Dafür müssten die Rahmenbedingungen passen: „Es braucht schnelles Internet, ausreichend Fachkräfte im Digitalbereich, die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen und Fairplay – speziell für KMU, die 99,7% der heimischen Betriebe ausmachen“, so die WK-Vizepräsidentin, die die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung dazu ausdrücklich begrüßt.

 „Bei allen Vorteilen, die uns Europäern die Automatisierung in der Industrie bringen kann, ist zu viel Digitalisierung im privaten und persönlichen Umfeld kritisch zu betrachten“, mahnte Rudolf J. Melzer, Gründer des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK). „Mit Spielereien wie ‚Smart Home‘ begibt man sich in Abhängigkeiten, deren Ausmaß unterschätzt wird. Stichwort Fremdmanipulation, Datensicherheit oder Stromausfall. Ebenso kritisch sehe ich Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen. Fortschritt ist gut und auch die Digitalisierung ist wichtig in sehr vielen Bereichen der Wirtschaft und Verwaltung. Aber wenn der Mensch letztendlich nur noch funktionieren muss, um der Technik hinterherzurennen, dann geht es in die falsche Richtung.“

Robot-Journalism nichts für komplexe Aufgaben

Doch wie werden Robots künftig Wirtschaft und Kommunikation tatsächlich verändern? Darüber diskutierte eine Expertenrunde, moderiert von ORF-Wirtschaftsredakteurin Barbara Battisti, im Rahmen der Festveranstaltung zum 10-jährigen IFWK-Jubiläum in der Sky Lounge der Wirtschaftskammer Österreich. Dass Chatbots künftig noch viel häufiger zum Einsatz kommen und zu immer besser funktionierenden digitalen Suchmaschinen werden, darüber stimmten die Diskutanten überein. „Damit werden Routinearbeiten nicht mehr von Menschen erledigt, sondern von Maschinen. Bei komplexen Problemen braucht es aber sehr wohl weiterhin Menschen“, erwartet Julia Wippersberg, Geschäftsführerin APA OTS und „Senior Lecturer“ am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Sie sieht für Unternehmen auch Chancen darin, von den Bots zu lernen: „Aus den Fragen, die Kundinnen und Kunden den Chatbots stellen, können Unternehmen sehr viele wichtige Informationen mitnehmen.“ In ihrem eigenen Arbeitsumfeld testet die Kommunikationsexpertin etwa „Robot journalism“-Lösungen, die zum Beispiel bei der Wiedergabe von Sportergebnissen schon gut funktionieren, nicht jedoch, wenn es um komplexere Aufgaben geht. „PR und Journalismus sind mehr als reine Textfabriken“, stellt Wippersberg klar. „Es geht auch darum, Emotionen zu erzeugen.“

„Chatbots sind nur ein Teil der notwendigen Technologien für intelligente Computer-Assistenten“, ergänzt Allan Hanbury. Jedes Mal mit dem Computer „chatten“ zu müssen, wenn etwas zu erledigen ist, wäre eine Zumutung: „Der Computer-Assistent soll in der Lage sein, einfache Aufgaben automatisch und nachvollziehbar zu erledigen – nur für komplexere Fälle soll nachgefragt werden“, empfiehlt der Stiftungsprofessor für Data Intelligence an der TU Wien. Hanbury sieht speziell in der Medizin, als Unterstützung für Ärzte im Umgang mit der Masse an Informationen, ein wichtiges Einsatzgebiet für Künstliche Intelligenz.

Empathie ist nicht ersetzbar

„Nicht jede Anwendung und jeder Geschäftsprozess lässt sich mit dem aktuell möglichen geringen Maß an Empathie zufriedenstellend abwickeln“, sieht Klaus Schmid, CEO von Amberon Consulting, noch klare Grenzen in der Einsetzbarkeit von Chatbots und warnt vor einer Verrohung in der Kommunikation: „Ziel muss sein, beim User ein gutes Gefühl trotz Einsatz von Technologie zu hinterlassen.“ Gerade im Geschäftsbereich Verkauf zeige sich, wie wichtig es sei, den Konsumenten – also den Menschen – auf dem Weg der Digitalisierung mitzunehmen.

Bedürfnis nach natürlicher Kommunikation kann nicht ersetzt werden

Ähnlich sieht das auch Thomas Riegler, Partner von Innovation & Digital bei PwC: „Vorausdenkbare Massenprozesse und Routineabläufe werden zunehmend digitalisiert. Aber wo Kreativität und Innovation gefragt ist, brauchen wir weiterhin die Menschen“, so Riegler. „Chatbots können künftig sicher Dinge wie das lästige Ausfüllen von Formularen oder Suchen von Antworten im Internet übernehmen. Sie können das Bedürfnis des Menschen nach natürlicher Kommunikation aber in den nächsten 10 Jahren nicht ersetzen.“

Stefanie Lindstaedt, Professorin an der TU Graz, Institute for Interactive Systems and Data Science, analysierte die aktuellen Stärken und Schwächen von Chatbots: „Wo Chatbots heute schon gut funktionieren, sind Standardanwendungen wie die Bereitstellung von Informationen zu Öffnungszeiten oder Produkten. Noch nicht gut funktioniert die Erkennung von beliebigen und vorher nicht definierten natürlichsprachigen Sätzen. Oft wird eine hohe Erwartungshaltung sehr schnell gedämpft, weil das System nun doch nicht ,intelligent´ erscheint“, so Prof. Lindstaedt. Sie sieht Chatbots aktuell insbesondere im Bereich Suche in Informationsbeständen von Unternehmen interessant, als Ablöse der traditionellen Volltextsuche. Gute Erfahrungen gibt es auch mit Avataren auf Firmenwebseiten, die einfache Anfragen beantworten. Neue Einsatzmöglichkeiten sieht sie künftig etwa für ältere Personen, die zu Hause Unterstützung brauchen.

Ein Problem gebe es aber noch mit dem Datenschutz, da insbesondere Spracherkennung nur gut mit vielen Datensätzen funktioniere. „Alexa arbeitet jetzt schon daran, auch einzelne Stimmen der Familienmitglieder im ‚Smart Home‘ zu erkennen“, so Lindstaedt.      

Österreich besser positionieren – Digitalisierung von allen Seiten betrachten

Als Dialogplattform für Wirtschaft, Wissenschaft und Medien rief der langjährige Journalist und Kommunikationsexperte Rudolf J. Melzer das IFWK im Herbst 2009 ins Leben. „Übersetzer“ für komplexe Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft zu sein, war eines der Anliegen, die zur Gründung des IFWK führten. Zum zehnjährigen Bestandsjubiläum präsentierte er fünf Themenbereiche, die in den kommenden Jahren die internationale Wirtschaft und Kommunikation – und damit auch die Inhalte des IFWK – prägen werden:

  • „Europa braucht mehr Selbstbewusstsein – auch in der Kommunikation wirtschaftlicher Stärke“, ist Melzer überzeugt.
  • „Österreich muss sein internationales Profil schärfen“, so der Kommunikationsprofi weiter. „Wofür stehen Wirtschaftsleistungen „made in Austria? Positioniert sich Österreich als Öko-, Tourismus-, Bildungs-, Innovations- oder Digitalisierungsland? Hier ist eine klare Markenstrategie, ein klares Profil, gefragt.“
  • „Trotz aller Freuden der Digitalisierung dürfen wir nicht auf Autarkie und Unabhängigkeit vergessen“, mahnt Melzer und betont: „Auch über die Nachteile von zu großer Technologie-Abhängigkeit muss offen diskutiert werden, etwa über Datensicherheit und darüber, was geschieht, wenn der Strom länger ausfällt.“
  • Rund um das Thema Nachhaltigkeit fordert der IFWK-Gründer eine gesamtheitliche Sicht der Dinge. Etwa bei Modethemen wie der e-Mobilität das gesamte System zu betrachten und auch kritische Fragen und Antworten zu kommunizieren: Wie wird der Strom erzeugt? Was kostet die Erzeugung und Entsorgung der Batterien? Rohstoffsituation?
  • Und schließlich plädiert Melzer dafür, das Lebensumfeld zu schützen. „Häufig werden die besten landwirtschaftlichen Flächen für – oft nur kurzzeitig genutzte – Konsumtempel und Produktionsanlagen zubetoniert. Diesen Konsumwahn gilt es zu hinterfragen“, so Melzer.


Top-Speaker und Gäste

Mit unterschiedlichen Formaten und Top-Speakern wie Ex-Cameron-Berater Michael Hayman, Wolfgang Hetzer vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), Fraunhofer-Austria-Chef Wilfried Sihn oder Gertrude Tumpel-Gugerell vom Direktorium der Europäischen Zentralbank, setzte das IFWK (www.ifwk.net) in den ersten zehn Jahren seines Bestehens zahlreiche Impulse im öffentlichen Diskurs. Themen wie Datensicherheit, Kryptowährungen, Brexit oder die Mobilität der Zukunft nahm das Forum schon frühzeitig auf seine Agenda. In insgesamt 55 Veranstaltungen kamen mehr als 120 Wissenschaftler, Manager, Journalisten, aber auch Sportler und Rechtsanwälte zu Wort.

Menschen und Humanoide

Unter den zahlreichen Gästen in der Sky Lounge der WKO waren unter anderem Bernd Bugelnig, CEO von Capgemini in Österreich, Dieter Harreither, Partner PwC, Michaela Novak-Chaid, Geschäftsführerin von HP Austria, Ulrike Huemer, CIO der Stadt Wien, Johannes Riha, Geschäftsführer von GGW Gruber, Markus Gstöttner, Geschäftsführer des Manstein-Verlages, Albert Lidauer, Vorstand bei Magna of Europe, Isabella Mader, Vorstand Excellence Institute, Dimension Data Geschäftsführer Jürgen Horak, Claus Hofmann von Bossard Austria, Rainer Walter, Geschäftsführender Gesellschafter der Pörner Anlagen GmbH, Leopold Bednar, Aufsichtsratschef bei TTTech und BWT, der Geschäftsführer von Great Wall Motors, Markus Schermann, GEWISTA-Geschäftsführer Franz Solta, die Immobilienunternehmerin Marlies Muhr, die Chefredakteurinnen Barbara Haas sowie Michaela Ernst, Journalisten Engelbert Washietl sowie Peter Muzik, Lenzing-Sprecherin Waltraud Kaserer, Ex-ÖIAG-Chef Rudolf Kemler, Peter Szigeti von der gleichnamigen Sektkellerei, sowie die Anwälte Wilhelm Milchrahm und Martin Stadlmann. Aber auch der humanoide Roboter NOVA der Casinos Austria und Lotterien ließ es sich nicht entgehen, einen Blick in die Zukunft zu werfen und den Menschen zu versichern: „Ganz ersetzen werden wir Euch so bald wohl nicht.“