Wer macht(e) den starken Euro schwach? Und welche Rolle spielten und spielen dabei die Medien? Eine Diskussion des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK) mit der langjährigen Direktorin der Europäischen Zentralbank, Gertrude Tumpel-Gugerell, dem Kommunikationswissenschafter Matthias Karmasin und dem Wirtschaftsjournalisten und Leiter der Denkfabrik Agenda Austria, Franz Schellhorn, zeigte, dass es keine einfachen Antworten auf diese Fragen gibt. Für IFWK-Präsident Rudolf J. Melzer wurde an diesem Abend deutlich, dass nicht nur der Journalismus seine Aufgabe, die komplexen Entwicklungen in der EU zu erklären, besser erfüllen müsse, sondern schon in der Schulausbildung große Defizite bestünden und das Verständnis für ökonomische Wechselwirkungen nicht ausreichend vermittelt werde.

Unreflektierte Medienberichterstattung kann folgenschwere Auswirkungen auf die Wirtschaft haben: Darauf verwies die langjährige OeNB- und EZB-Direktorin Gertrude Tumpel-Gugerell bei der IFWK-Veranstaltung im Presseclub Concordia. Medien hätten eine hohe Verantwortung: Medienberichte, die das Vertrauen in das Bankensystem erschüttern, führen dazu, dass die Menschen „in Gold und Bargeld flüchten, ihr Geld außer Landes bringen oder unter die Matratze legen.“ Nur mit guter Politik und entsprechender Berichterstattung in den Medien sei Währungsstabilität zu gewährleisten.  Journalisten stehen Tumpel-Gugerell zufolge sehr oft vor heiklen Entscheidungen: „Was tut man mit einer Information, von der man weiß, dass man damit am nächsten Tag viele Zeitungen verkauft, die aber Auswirkungen in gefährlichem Ausmaß haben kann.“ Natürlich verkaufe sich Angst gut, besonders wichtig sei aber kritisches Hinterfragen – „checks and balances“ – sowie mediale Unabhängigkeit, um Informationen besser beurteilen zu können. Dennoch dürfe man vom Journalismus „nicht zu viel erwarten“, denn: „Es muss schon jemand sehr erfahrend und weitblickend sein, um Gefahren frühzeitig zu erkennen.“  

„Wir Journalisten haben weggeschaut“

Wirtschaftspublizist Franz Schellhorn stimmte zu, dass „die Rolle der Journalisten“ nicht überschätzt werden dürfe, „aber als verlässliche Informationspartner“ hätten sie deutlich besser agieren können. In Bezug auf die oft unkritischen Berichte über den Euro zeigte Schellhorn sich auch selbstkritisch: „Wir haben überall weggeschaut, wo wegzuschauen war, insbesondere beim Bruch der Stabilitätskriterien.“ Die Journalisten hätten verabsäumt, wichtige Fragen zu stellen, wie „Wer hat uns in die schwierige Lage versetzt?“, „Was war die Rolle der Zentralbanken?“ oder „Welche Interventionen wurden gesetzt und welche Folgen hatten diese?“ Bis heute habe man sich nie angeschaut, wie stark und wie gut der Bankensektor wirklich reguliert ist.  Dennoch sieht Schellhorn den Wirtschaftsjournalismus nicht in der Krise, allerdings seien Nachwuchsprobleme fachlicher Natur zu beobachten: „Die Medien bekommen Schulabgänger, die von Wirtschaft keine Ahnung haben, und das wird immer schlimmer.“ Nicht nur im Journalismus und in der Journalistenausbildung, sondern bereits in den Schulen brauche es eine bessere ökonomische Ausbildung.

Zypern: Reiner Empörungsjournalismus?

Medienwissenschafter Matthias Karmasin kritisierte den reinen Empörungsjournalismus, wie er jüngst am Beispiel Zypern zutage getreten sei: „Die Medien bauen Empörung auf und leben von der Empörungsbewirtschaftung.“ Karmasin über den Wirtschaftsjournalismus, wo Bericht und Kommentar oft vermischt würden und es an Meinungspluralität fehle: „Ich vermisse im Wirtschaftsjournalismus eine offene Debatte darüber, wie etwas aus verschiedenen ökonomischen Schulen gesehen wird und einzuschätzen ist.“ Dass Medienberichte direkte Auswirkungen hätten, zeige sich etwa an der Berichterstattung über Aktienkurse.   Moderator Peter Muzik warf die Frage auf, ob die besten Erklärungen der Eurokrise nicht schon am Verständnis der Leser scheitern würden: „Ich habe die Befürchtung, dass die meisten Zeitungsleser nicht wissen, was der ESM ist, warum haben wir sonst in der EU eine derartig gigantische Vertrauenskrise?“ Das Interesse an EU-Entscheidungen mag zwar „in Spurenelementen“ da sein, aber es gebe einfach zu wenig Vorkenntnisse über die Materie.