Internet-Kriminalität, mittlerweile das größte „Gewerbe“ der Welt, wird von Wirtschaft, Politik und Medien unterschätzt, warnt das Internationale Forum für Wirtschaftskommunikation und fordert eine „Safe Euro Cloud“
Die Schäden, die weltweit durch Cyber Crime entstehen, werden mittlerweile auf 400 bis 500 Milliarden € pro Jahr geschätzt. „Selbst Drogen- und Waffengeschäfte bringen insgesamt weniger ein als die kriminellen Machenschaften von Hackern, Datenklauern, E-Mail-Betrügern und Co“, warnte der Präsident des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK), Rudolf J. Melzer, im Rahmen einer Podiumsdiskussion in den Räumen der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich in Wien vor den dramatischen Folgen für Manager und Unternehmen. „Im Prinzip kann alles, was eine IP-Adresse hat, gehackt werden. Und so sollten sich auch Top-Manager den Gebrauch von Smartphones gründlich überlegen.“
Hackerangriffe nicht nur auf Sony, sondern auch auf den französischen Atomkonzern EDF oder die CIA machen deutlich, dass durch zunehmenden Umfang und größer werdende Komplexität der IT auch das Thema der Sicherheit in der Software ein immer wichtiger zu beachtendes ist, so Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ in seiner Keynote. Darüber hinaus gehe es auch um persönliche Selbstverantwortung – und hierzu bräuchte es wesentlich mehr an Medienkompetenztraining. Noch immer würden zu viele in einfache Fallen tappen. So gesehen würden wir inzwischen in einer Zeit der relativen Sicherheit leben, wo man sich dieses Themas bewusst ist und der Schutz laufend dem aktuellen Stand der Technik angepasst werden müsse. Cyber Crime sei ein extrem weites Feld, das von Phishing über Cipher Malware (Verschlüsselungsattacken mit Erpressung) bis zu gezielter Wirtschaftsspionage und zu Cyber Terrorismus reiche. Der moderne Bankraub wäre heute Imageraub, so Schaller weiter. „Wir müssen die Kinder schon in der Schulzeit auf das Erkennen von Cyber Crime-Aktivitäten trainieren sowie auf die Gefahren aufmerksam machen.“
37 Minuten, um ein Unternehmen zu hacken
„Wir müssen ganz dringend etwas tun“, bekräftigte auch Roman Biller, Österreich-Generaldirektor des US-Konzerns Unisys in der von APA-Chefredakteur Michael Lang moderierten Diskussion. „Cyber Crime ist ein extrem weites Feld und ein gigantischer Wirtschaftszweig“, und doch liege das Security-Budget in Österreich im Schnitt nur bei rund zwei Prozent des IT-Budgets. Doch Biller ist bewusst, dass „jeder Vorstand nur das tut, was auftrags- oder ertragswirksam ist“ – gerade in Zeiten wie der letzten Dekade, wo Kostenreduktion massiv zum Thema gemacht wurde. Zur Verdeutlichung der Bedrohung für
die Wirtschaft zitiert Biller aus dem Hackerumfeld: „Es gibt in Österreich zwei Kategorien von Unternehmen: Welche, die in 37 Minuten gehackt sind, und solche, für die man vier Stunden braucht.“
Cybercops der Polizei klären auf
Silvia Strasser, Leiterin des Büros für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Bundeskriminalamt, lässt mit Daten aus dem Cyber Crime Report des BK aufhorchen: Anzeigen zu Cyber Crime würden rasant steigen: 11.199 Cyber Crime Delikte wurden 2013 angezeigt, zwei Jahre davor wären es noch 4.937 gewesen: „Cyber Crime ist das schmerzloseste Delikt, das es gibt: Es gibt kein Blut, keine Aggression, kein Gegenüber. Oft kriegt es das Opfer nicht einmal mit.“ Die Polizei verfüge über speziell ausgebildete Cybercops, die sich sowohl um die Aufklärung der Delikte als auch um Prävention kümmern. Zweitere passiere vor allem durch Direktmaßnahmen wie Schulbesuche. Die Medien jedenfalls würden sich oftmals für blutrünstige Geschichten mehr interessieren als für unspektakuläre Präventionsgeschichten.
Der Cyber Crime & Spionage-Bekämpfungsspezialist aus London, Alexander Herget, lieferte laut Moderator Michael Lang (APA) den „Wohlfühlfaktor“ des Abends mit haarsträubenden Details: Für Kreditkartendaten mit PIN würden zwischen 2 und 15 Dollar bezahlt, je nach Bonität der Kreditkarte würde sich der Preis richten und die Bonität einer Karte wäre den Cyber Kriminellen selbstverständlich ebenfalls bekannt. „Das Problem der Industrie ist: Man konzentriert sich auf die Abwehr. Aber mit Verteidigung kann man einen Cyberwar niemals gewinnen, dazu muss man angreifen.“ Die Devise lautet also: Angreifer stoppen, schon bevor sie angreifen. In der Praxis bedeute das zum Beispiel, Cyber-Kriminellen, die etwa Aufträge abfischen oder wertvolle Betriebsdaten stehlen wollen, Fallen zu stellen. Einer Sache sollte man sich bei vielen Cyberdelikten stets bewusst sein: „Jede Information hat einen Wert und einen Preis.“
Sichere Euro Cloud gegen Industriespionage
IFWK-Gründer Rudolf J. Melzer verwies im Rahmen der Jubiläumsfeier zum fünfjährigen Bestehen der Dialog- und Wissensplattform, auch auf die Tatsache, dass Europa von der US-Software-Industrie förmlich überrannt wurde und es spätestens seit dem „Cloud Computing“ keine Datensicherheit in Europa mehr gibt. „Industriespionage ist dadurch Tür und Tor geöffnet. Damit Europa bei aktuellen Themen wie Industrie 4.0 mithalten kann, brauchen wir dringend eine absolut sichere Euro Cloud“, forderte Melzer.
Zur Fünfjahresfeier im Dachgeschoß des Oberösterreich-Hauses vis-a-vis der Staatsoper kamen unter anderem die IFWK-Gründungsmitglieder Klaus Schmid, CEO Capgemini, Leopold Bednar, TTTech-, BWT- und Keba-Aufsichtsrat, sowie Fraunhofer Austria-Geschäftsführer Wilfried Sihn, Corporate Advisor und FH-Professorin Bettina Gneisz-Al-Ani, die IT-Strategin Isabella Mader und der Journalist Engelbert Washietl.
Direkt aus Shanghai angereist kam Brenntag-Global-Sourcing-Vorstand Helmut Struger, der unter anderem mit dem Geschäftsführer von adesso Austria, Erwin Greiml, und den Bau & Boden-Geschäftsführern Andreas Ortner und Matthias Scheiblberger, den Umstand diskutierte, ob man aus Sicherheitsgründen als CEO wirklich kein Smartphone mehr verwenden sollte.
Weiters unter den Gästen: Feuerkultur-Chef Herbert Wieser, Personalberaterin Manuela Lindlbauer, die Wiener Anwälte Wilhelm Milchrahm und Martin Stadlmann, Software AG CEE CTO Christoph Strnadl sowie Beltios-Geschäftsführer Anselm Fleischmann.